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VERTIEFEN

Die Kompetenzorientierung ist die wohl pädagogisch bedeutsamste Veränderung der letzten Jahrzehnte und hat große Auswirkungen in der Schul- und Unterrichtsentwicklung.
"Erfolgreiche Schulentwicklung vollzieht sich als ein strukturierter Prozess in definierten Zeitabständen, der von den Mitgliedern des Kollegiums wesentlich selbst getragen und verantwortet wird, als zunehmende Verständigung über gemeinsame Zielvorstellungen und die Art ihrer Verwirklichung, wobei den Mitgliedern des Kollegiums die Existenz unterschiedlicher Standpunkte bewusst ist und von ihnen auch akzeptiert wird, als ein reflektiertes Handeln, das in definierten Abständen den erreichten Arbeitsstand, die aktuellen Rahmenbedingungen sowie den Revisionsbedarf bisheriger Praxis überprüft." (Horster, 2009, S. 59)
Schulentwicklung nimmt, systemisch betrachtet, die wesentlichen Bereiche von Schule in den Blick. In unserem Verständnis wären diese drei zentralen Entwicklungsbereiche Schulkultur, Profession und Praxis. In ihren Wirkungen sind sie eng miteinander verbunden. Gleich einem Uhrwerk hat die Veränderung nur eines Elementes Auswirkungen auf das gesamte System. Diese Komplexität gilt es im Prozess jeder Schulentwicklung zu beachten.
 

Kompetenzorientierung braucht gemeinschaftliche Praxisentwicklung.

Die Erwartungen an die schulische Bildungs- und Erziehungsarbeit sind vielfältig: Lernende, Lehrende, Schulleiter*innen, Erziehungsberechtigte, außerschulische Partner*innen, Fachleute aus Fachdidaktik und Bildungsforschung, Bildungsverwaltung und Bildungspolitik – sie alle haben Vorstellungen davon, was Schule leisten soll und was unter gutem Unterricht und guter Schule zu verstehen ist.
Von der „statischen Kultur des Lehrens und Lernens“ (Altrichter & Posch, 2007, S. 665) hin zu einer schüler-, kompetenz- und evidenzorientierten Schul- und Unterrichtsentwicklung: Dieser bemerkenswerte Perspektivenwechsel wurde in Österreich mit der Einführung der Kompetenzorientierung und den damit verbundenen Bildungsstandards eingeleitet. 
Im Zentrum stehen vor allem die Qualität und Entwicklung der schulischen Lernprozesse und die damit verbundene Kompetenzentwicklung und das jeweilige Fachwissen (Wiesner et al., 2017). Der Umgang mit Daten und die Etablierung einer daten- und evidenzbasierter Praxisentwicklung bildet dabei das Gelenk- bzw. Herzstück (Rolff, 2016) um die Profession dabei zu unterstützen. Datenbasierte Praxisentwicklung erfordert die Bereitschaft, sich mit den Daten auseinanderzusetzen, sich darüber auszutauschen und auf deren Basis Veränderungen anzudenken und herbeizuführen.


REFLEXION

•    Wie wird am Standort gemeinsam die Begriffe Praxis und Praxisentwicklung definiert?
•    Welche Entwicklungsschritte sind sichtbar?
•    Welche Daten stehen unserem Schulstandort zur Verfügung?
•    Wie gehen wir mit diesen Daten um?
•    Welche Zeitfenster gibt es um gemeinsam daran zu arbeiten?
•    Wie kommt das Neue (Qualitätsrahmen, Lehrplan, …) ins Plenum?
•    Wie erfolgt die Auseinandersetzung am Standort?
 

Kompetenzorientierung braucht wertschätzende Schulkultur.

Wirkliche Verbesserung kann nirgendwo anders als in den Schulen selbst erfolgen, und „innerhalb“ ist ein komplexes Netz von Werten und Überzeugungen, Normen, Beziehungen und Emotionen. Diese machen Schulkultur sichtbar und werden in Handlung und Verhalten erlebbar. Schulqualität wird dadurch geprägt. Die Qualität der Schulkultur beeinflusst die Qualität des gesamten schulischen Lebens. Der Begriff Schulkultur bezieht sich auf die Gestaltung der Schule als Lern- und Lebensraum, auf die Gestaltung der Beziehungen der Lernenden und Lehrenden unter- wie miteinander. Oder vereinfacht nach Seashore-Louise (2013): „School Culture means: That’s the way we are doing things ‘round here!“ Damit Kompetenzorientierung an Schulen umgesetzt werden kann, ist es erforderlich, dass alle Lehrpersonen die Idee mittragen und entsprechend mitwirken.

Unter dem Begriff der positiven Schulkultur (Göhlich, 2005) ist eine Reihe von Faktoren gemeint, wie das Schulleben lernförderlich gestaltet werden kann. Auf der Grundlage gemeinsamer Werte und Haltungen werden schulintern verbindliche Absprachen getroffen und Routinen etabliert, die zum Beispieleine lernanregende Umgebung, Regeln der Schulgemeinschaft, Maßnahmen zur Prävention, das Kommunikationsklima, die Teilhabe der Erziehungsberechtigten am Schulleben betreffen. Positiv ausgerichtet, sind die genannten Faktoren zusammengenommen für das Gelingen der schulischen Arbeit wichtig. Für die Schüler*innen sind sie jedoch nicht selten erfolgsentscheidend: Die Schulklimaforschung (z.B. Helsper, 2008) hat eindrücklich auf den engen Zusammenhang von Leistungs- und Persönlichkeitsentwicklung einerseits und dem sozialen Klima einer Schule andererseits hingewiesen. Dazu gehört der Aufbau einer Kultur des respektvollen Umganges miteinander – unter allen Personen, die diese Gemeinschaft Schule bilden.

MacGilchrist et al. (1995) argumentieren, dass die Schulkultur durch drei miteinander verbundene Dimensionen ausgedrückt wird: berufliche Beziehungen, organisatorische Arrangements und Lern-möglichkeiten. Die Schulkultur wird daher am deutlichsten in der Art und Weise gesehen, wie Menschen miteinander umgehen und zusammenarbeiten; das Management der Strukturen; und das Ausmaß, in dem es einen Lernfokus sowohl für Schüler*innen als auch für Erwachsene gibt, ein-schließlich der Art dieses Fokus.

Hargreaves (1994) beschreibt vier Lehrkulturen hervor, welche die Schulkultur beeinflussen:

  • Individualismus – Klassenzimmer als „Eierkisten“ oder „Schlösser“. Autonomie, Isolation und Isolation herrschen vor, Schuldzuweisungen und Unterstützung werden vermieden.
  • Zusammenarbeit – Lehrpersonen entscheiden sich spontan und freiwillig für eine Zusammenarbeit ohne externe Kontrollagenda. Zu den Formen gehören: „bequeme“ Aktivitäten – der Austausch von Ideen und Materialien – und strenge Formen, einschließlich gegenseitiger Beobachtung und fokussierter reflexiver Untersuchung.
  • Gekünstelte Kollegialität – kollaborative Arbeitsbeziehungen der Lehrer sind zwingend vorgeschrieben, mit festen Zeiten und Orten für die Zusammenarbeit, zum Beispiel bei der Planung von Besprechungen in der Vorbereitungszeit.
  • Balkanisierung – Lehrpersonen sind weder isoliert noch arbeiten sie als ganze Schule. Kleinere kollaborative Gruppen bilden sich.

REFLEXION

Wie sieht die Schulkultur bei uns aus? Stellen Sie sich vor, Sie betreten das Schulgebäude.

  • Was sehen Sie?
  • Was hören Sie die Lehrpersonen sagen?
  • Wie sehen die Pinnwände aus?
  • Was sagen und tun die Kinder?
  • Fühlen Sie sich willkommen?
  • Wie ist das allgemeine „Gefühl“ der Umgebung?

Stoll und Fink (1996) identifizierten zehn kulturelle Normen, die die Schulentwicklung beeinflussen. Da Normen häufig unausgesprochen bleiben, artikulieren Schlagworte ihre Kernbotschaften:

  • Gemeinsame Ziele – „Wir wissen, wohin wir gehen“
  • Verantwortung für den Erfolg – „Wir müssen erfolgreich sein“
  • Kollegialität – „Wir arbeiten gemeinsam daran“
  • Kontinuierliche Verbesserung – „Wir können besser werden“
  • Lebenslanges Lernen – „Lernen ist für alle da“
  • Risikobereitschaft – „Wir lernen, indem wir etwas Neues ausprobieren“
  • Support – „Es ist immer jemand da, der hilft“
  • Gegenseitiger Respekt – „Jeder hat etwas zu bieten“
  • Offenheit – „Wir können unsere Unterschiede besprechen“
  • Feiern und Humor – „Wir fühlen uns gut“

Wie schaut es um diese zehn kulturellen Normen am Schulstandort aus?

Kompetenzorientierung braucht lernförderliche Professionsweiterentwicklung.

Es gilt den Wandel im Selbstverständnis jeder Schule zu unterstützen, damit sich alle an der Schule ihrer jeweils eigenen Verantwortung für den schulischen Erfolg jedes einzelnen Kindes bewusst sind und mit diesem Fokus zu lernenden Organisationen werden.
Dabei braucht es Professionalisierung („professional learning“). Diese geht vom Subjekt aus und ist aktiv. Die Lehrkräfte beteiligen sich am professionellen Lernen, um ihr Denken und ihr berufliches Wissen zu stimulieren und sicherzustellen, dass ihre Praxis kritisch informiert und aktuell ist (Easton, 2008; Stewart, 2014).
Effektive professional learning-Erfahrungen teilen Eigenschaften. Sie sind langfristig, gründlich und fortlaufend, berufsbezogen und mit der täglichen Praxis der Lehrpersonen verbunden, inhaltsorientiert, kooperativ, bieten Möglichkeiten zum Üben, erhalten Feedback, reflektieren neue Praktiken und Folgemaßnahmen und sind durch verbesserte Schüler*innenleistungen motiviert.
Wenn ein breites Spektrum hochwertiger und nachhaltiger beruflicher Lernerfahrungen gemacht wird, ist es wahrscheinlicher, dass Lehrer*innen die Schüler*innen inspirieren und qualitativ hochwertige Lehr- und Lernerfahrungen bieten, damit die Lernenden ihr Bestes geben können. Es ist wichtig, dass professionelles Lernen den Lehrpersonen vielfältigste Möglichkeiten bietet, ihr berufliches Wissen und ihre Praxis zu entwickeln und zu verbessern, um die Qualität des Lernens und des Lehrens zu verbessern.

Professionelles Handeln kompetenter "reflektierter Praktiker" integriert nach Schön drei Handlungstypen:

(1)    "Wissen-in-der-Handlung": Dies Wissen ist meist unausgesprochen. Zwischen Denken und Handeln wird nicht getrennt und die Handelnden sind sich oft nicht bewusst, wie sie dieses Wissen erlernt haben. (Altrichter 2000, S. 204)
(2)    "Reflexion-in-der-Handlung": Dies ist Praxiserforschung in der Art einer "reflexiven Konversation mit der Situation" in der Situation, z.B. auf der Basis von Unzufriedenheit, Scheitern oder einer Überraschung. Dem folgt eine erste Problemdefinition, die eine experimentelle Annäherung an die Passung der Problemdefinition und der Situationserfordernisse ermöglicht. Solche "Rahmenexperimente" kombinieren das Eintreten für die eigene Ordnung und das Bewussthalten, dass diese Ordnung eine eigene Ordnung ist, mit deren kritischer Erforschung im Kontext der Situation. Dadurch wird die erste Problemdefinition weiterentwickelt und dem Problem angenähert. Problem und Lösungsansätze werden im gegenseitigen Abgleich klarer. (ebd., S. 205ff)
(3)    "Reflexion-über-die-Handlung": Hier tritt die Reflexion aus der Handlung heraus, geht in Distanz dazu und ermöglicht, dass eigenes Handlungswissen im Hinblick auf künftige andere Situationen expliziert wird. Dadurch wird im Sinne der Weiterentwicklung von Kompetenz Wissen analysierbar, reorganisierbar und es wird mitteilbar (ebd., S. 208ff).


Konkret zur Professionalisierung von Lehrpersonen äußert sich Weinert (2000). Er nennt vier Kompetenzen, die aufseiten der Lehrpersonen gebraucht werden, um erfolgreich kompetenzorientiert zu unterrichten: 

  • Lehrpersonen müssen Expertise in ihrem Fach haben, um in der Lage zu sein, die entsprechenden fachdidaktischen Entscheidungen treffen zu können, welche die Lernenden beim Kompetenzerwerb unterstützen. 
  • Lehrpersonen brauchen diagnostische Kompetenz, um ihre didaktischen Entscheidungen entsprechend dem Lern- und Leistungsstand sowie dem Lern- und Leistungsfortschritt treffen zu können, um Aufgabenschwierigkeiten entsprechend einordnen zu können und die Stärken und Schwächen einzelner Lernender einer Klasse zu kennen. 
  • Lehrpersonen brauchen didaktische Kompetenz, um unterschiedliche Unterrichtsformen passend zum pädagogischen Ziel einsetzen zu können. 
  • Lehrpersonen brauchen Klassenführungskompetenz, um möglichst hohe aktive Lernzeiten im Unterricht sicherstellen zu können.

Ergebnisse von Studien (zum Bsp. COACTIV) zeigen, dass Lehrpersonen, die über ein hohes Maß an fachdidaktischem Wissen verfügen, ihren Unterricht kognitiv aktivierender gestalten und Lernende besser unterstützen, was in weiterer Folge die Lernergebnissen ihrer Schüler*innen effektiver fördert (Baumert et al., 2010).
 

Ausgewählte Filme & Literatur

Dr. Hilbert Meyer: Was guten Unterricht ausmacht
Dr. Hilbert Meyer referiert über den "guten" Unterricht und was diesen ausmacht.
Dr. Hilbert Meyer: Was guten Unterricht ausmacht - YouTube

"Wissen ist keine Kompetenz“ 
Prof. Werner Sauter im Gespräch mit Prof. Rolf Arnold und Prof. John Erpenbeck mit ungewöhnlichen Aussagen zu unseren bisherigen Vorstellungen von Bildung, Lehren und Lernen. 
https://www.youtube.com/watch?v=6OZqtEgJ87c

Einfach erklärt: Kompetenz
https://www.youtube.com/watch?v=HI9lYOs-4DM

Lernfeldkonzept Grundbegriffe - Qualifikation, Kompetenz, Performanz
https://www.youtube.com/watch?v=ZfHkyPmtLTA


Kompetenz erwächst aus Leidenschaft 
Dr. Philip Streit ist Gesundheitspsychologe und Vorstand des Institutes für Kind, Jugend und Familie in Graz. In seinem Vortrag geht der Psychotherapeut anhand von Beispielen aus seinem Arbeitsalltag auf die Bildung von Kompetenzen ein. Für ihn ist es wichtig zu betonen, dass man sich vor der Pubertät nicht fürchten soll. Sie sei vielmehr „ein wichtiger Prozess, der nicht negativ ist“ und sollte von allen Seiten unterstützt sein. Damit sich Kompetenzen entwickeln können, braucht es auch die Leidenschaft. Laut Dr. Streit schlummern die Leidenschaften nicht in uns, sondern wir kommen langsam darauf, was uns Leidenschaft bringt. Anhand von drei Modellen aus der Psychologie erklärt der Psychotherapeut, welche Mechanismen es braucht, unsere Leidenschaften und Kompetenzen zu entwickeln und sie auch zu fördern. 
https://www.youtube.com/watch?v=tnSk0kAdokE

Kompetenzorientierung 
Drei verschiedene Ebenen beeinflussen den Kompetenzorientierten Unterricht. PH Zürich.
https://www.youtube.com/watch?v=x1AQP4gYgzs