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150 Jahre Reichsvolksschulgesetz

Die Pädagogische Hochschule Niederösterreich und das Schulmuseum Michelstetten luden aus Anlass dieses Jubiläums am 18. Oktober zu einer Feierstunde ein. Zahlreiche Politikerinnen und Politiker aus Niederösterreich, die Leitenden der Bildungsdirektion Niederösterreich, Lehrende der PH Niederösterreich und besonders viele Vertreterinnen und aus der Bildungsregion 2 besuchten diese.

Rektor Erwin Rauscher relativierte die Dynamik Kirche – Schule, und Bildungsdirektor Johann Heuras mahnte den „historischen Rückspiegel“ ein, bevor man den Ausführungen von Peter Urbanitsch lauschen durfte, der die Brücke in die Vergangenheit schlug. Er sprach eindringlich über die widerstrebenden gesellschaftlichen Kräfte, Überlegungen und Leistungen, die schließlich zum Reichsvolksschulgesetz vom 14. Mai 1869 führten.

Neue Schulaufsicht

Dieses machte aus der bis dahin konfessionellen Volksschule eine interkonfessionelle und regelte die Organisation der Schulaufsicht neu, indem es Orts-, Bezirks- und Landesschulräte als Schulaufsichtsbehörden festschrieb. Die    Schulpflicht wurde auf acht Jahre verlängert. Aus der Trivialschule wurde die nun offiziell so bezeichnete Volksschule, auf der aufbauend eine Bürgerschule besucht werden konnte. Im Lehrplan fanden sich die Gegenstände Religion, Sprache, Rechnen, Wissenswertes aus der Naturkunde, Erdkunde und Geschichte mit besonderer Rücksichtnahme auf das Vaterland und dessen Verfassung. Schreiben, Geometrische Formenlehre, Gesang und Leibesübungen rundeten den Unterricht ab. Der Schulstoff wurde jahresmäßig eingeteilt, die Unterrichtsziele wurden wesentlich erhöht, als Lehr- und Lesebücher durften ausschließlich approbierte eingesetzt werden. Der Religionsunterricht blieb Teil des Gesamtunterrichts. Zur Schulerhaltung wurden die Gemeinden verpflichtet, die Räumlichkeiten und ihre Ausstattung betreffende Regeln waren festgehalten. Die Klassenschülerhöchstzahl wurde mit max. 80 festgesetzt. All das brachte wesentliche Verbesserungen gegenüber früheren Verhältnissen.

Lehrerausbildung

Als wesentliche Bestimmung wurde darüber hinaus die Einrichtung Lehrerbildungsanstalten für das Volksschullehramt festgehalten. Nach vier Jahren Ausbildung war man Unterlehrer, nach weiteren zwei Jahren erhielt man das Lehramtsprüfungszeugnis. Für weibliche Lehramtsaspirantinnen gab es daneben einen Übungskindergarten. Bezirkslehrerbibliotheken, periodische Lehrerkonferenzen und Fortbildungskurse wurden Basis einer regelmäßigen Personalentwicklung.

Öffentlichkeitsrecht

Mit dem Reichsvolksschulgesetz wurde der Schuldienst ein „öffentliches Amt“. Es war allen österreichischen Staatsbürgern ohne Unterschied auf das Glaubensbekenntnis grundsätzlich frei zugänglich. Es wurde wie bei Staatsangestellten zwischen provisorischem und definitivem Dienstverhältnis unterschieden, das Mindesteinkommen wurde festgelegt und eine regelmäßige Vorrückung, zudem eine Alters- und Witwenversorgung. Damit entwickelte sich ein neues Selbstverständnis, das Lehrerinnen und Lehrer als Volksbildnerinnen und Volksbildner wahrnahm, die eines größeren Weitblickes auf Basis gesicherter gehobener Allgemeinbildung und darüber hinaus gesteigerten Wissens in der Erziehungs- und Unterrichtslehre bedürfen.

Nach einer langen Phase von Stabilisierung und Stillstand im Vormärz, auch in der Bildungspolitik, war schon in den ersten Monaten der Revolution von 1848 den meisten Akteuren klar gewesen, dass das gesamte Schul- und Bildungswesen einer gründlichen Reform bedürfe. Über 20 Jahre lang rang man dann aber noch um die richtigen Reformen, bis schließlich mit dem 14. Mai 1869 im Reichsvolksschulgesetz ein Meilenstein in der österreichischen Schul- und Bildungsgeschichte gesetzt wurde.

Kritik

Dennoch blieb die damit geschaffene „Neuschule“ durch Jahre hindurch ein Zankapfel ersten Ranges. Die katholische Kirche und ihr nahestehende Kreise beklagten den Verlust ihrer Einflussnahme auf das Schulwesen; selbst der Statthalter von Niederösterreich, Conrad-Eybesfeld meinte 1878, dass „das erziehliche und religiöse Element“ in der Schule zu kurz käme, dort „viel gelernt und Wissenschaft getrieben, aber viel zu wenig erzogen“ würde. Einige Eltern hielten dafür, dass ihre Kinder mit Lehrstoff überfüttert würden, sie befürchteten, dass zu viel Bildung den einfachen Menschen eher schaden würde, weil dadurch Erwartungen geweckt werden würden, die in der Realität nicht einzulösen wären. Die hauptsächlichste Kritik richtete sich aber gegen die Ausdehnung der Schulpflicht auf acht Jahre, weil die Eltern durch die verlängerte Unterrichtspflicht vor allem den Verlust der Arbeitskraft ihrer Kinder und der durch sie erwirtschafteten Einkommen beklagten.

Aktualität

Was kann/soll/muss Schule leisten? Und wie kann das gelingen? – Das waren damals die Fragen, und sie sind es noch heute. Die Diskussionen darüber wurden während der Führungen im Schulmuseum und in der benachbarten Kirche sowie bei Brot und Wein noch intensiv fortgesetzt.

Für Interessierte:
Christine Schörg, 150 Jahre Reichsvolksschulgesetz: Auf Haupt- und Nebenwegen zur Professionalisierung der Lehrerbildung

 



22. Oktober 2019 | PH NÖ