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REINDENKEN

Vielfalt („Heterogenität“, „Diversität“) ist in der Schule der Normalfall – sowohl was individuelle Unterschiede betrifft als auch solche zwischen sozialen Gruppierungen. Schüler*innen unterscheiden sich etwa nach Leistungsfähigkeit, Lernstil, Lerntempo oder Motivlage, nach Muttersprache, Geschlecht oder sozialer Herkunft. Die „durchschnittliche“ Schülerin, den „durchschnittlichen“ Schüler gibt es nur in der Statistik!
„Jede/r ist anders anders!“ (Arens & Mecheril, 2010, S. 11). Der gemeinsame Nenner ist die Unterschiedlichkeit, die durch Individualität erzeugt wird. Für die Schule bedeutet dies, die Anerkennung von Unterschieden, aber auch den Blick dafür, welche Differenzen Schule und Unterricht produziert und welche nicht.
Es geistern dabei unterschiedliche Ansichten herum, was Differenzierung tatsächlich sein könnte. Um sich eine genaues Bild zu machen, ist es hilfreich, sich Klarheit zu verschaffen und auch darüber nachzudenken, was Differenzierung NICHT ist. Denn Fehlinterpretationen müssen beseitigt werden, damit ein klares Verständnis der Schlüsselfunktionen in einem differenzierten Klassenzimmer entwickelt werden kann (Nicolae, 2014).

Es gibt viele Missverständnisse rund um Differenzierung.

Missverständnis - Differenzierung ist nur für Schüler*innen mit besonderen Bedürfnissen.
Differenzierung bedeutet sicherzustellen, dass ALLE Lernenden gefordert werden. Differenzierungsexpertin Carol Ann Tomlinson ist über die Begabtenförderung zu dem Thema gekommen, denn differenzierter Unterricht bedeutet, dass auch diese Kinder herausgefordert werden.
Missverständnis - Differenzierung ist etwas Zusätzliches, das wir machen, wenn wir Zeit haben.
Differenzierung ist ein grundlegender Bestandteil der Unterrichtsplanung, nichts Zusätzliches oder Aufgesetztes.
Missverständnis - Differenzierung ist Kuschelpädagogik.
Differenzierter Unterricht bedeutet, dass alle Schüler*innen gefordert sind. Jede/r arbeitet auf dem Level, auf dem maximaler Lernzuwachs stattfindet. Niemand liegt auf der faulen Haut.
Missverständnis - Differenzierung trägt nicht zum Erreichen der erforderlichen Kompetenzen des Lehrplans bei.
Da im differenzierten Unterricht alle Lernenden auf dieselben Lernziele hinarbeiten und maximaler Lernzuwachs bei allen Lernenden angestrebt wird, hilft Differenzierung dabei die Kompetenzen zu erreichen.
Missverständnis - Differenzierung ist ein Methodenset, mit dem wir unterrichten können.
Differenzierung ist eine Grundhaltung der Lehrenden, die auf klaren Prinzipien beruht. Die konkrete Umsetzung hängt von den Bedingungen in der Klasse ab.
Missverständnis - Differenzierung bedeutet die Bildung von homogenen Gruppen innerhalb der Klasse.
Flexible Differenzierung beruht auf der Arbeit in flexiblen Gruppen. Je nach Aufgabe werden die Schüler*innen so gruppiert, dass sie optimal arbeiten können. Es gibt keine Einteilung in fixe Gruppen. Manchmal wird in homogenen Gruppen gearbeitet, manchmal in heterogenen Gruppen, manchmal mit der ganzen Klasse, manchmal mit Kleingruppen, in Paaren oder in Einzelarbeit.
Missverständnis - Differenzierung ist dasselbe wie Individualisierung.
Individualisierung geht davon aus, dass die Unterschiede „leistungsstark“ und „leistungsschwach“ diagnostisch bestimmt werden können, um somit Lernergebnisse zu optimieren. Durch diese Typisierung, die gleichzeitig eine Bewertung darstellt, soll jedem Einzelnen sein individueller Lernweg gezeigt und die Verantwortung für diesen Lernprozess übergeben werden. Differenzierung bedeutet einige Wege anzubieten, die alle auf dasselbe Ziel gerichtet sind. Das ist auch in der Schule leistbar.
Missverständnis - Differenzierung ist mehr für die einen, weniger für die anderen.
Differenzierung bedeutet nicht, dass ein/e Schüler/in, die schneller fertig ist, ein zusätzliches Arbeitsblatt bekommt, sondern dass Lernwege angeboten werden, wo sich diese/r Lernende mit respektvollen herausfordernden Aufgaben beschäftigt.

Differenzierung ist eine Grundhaltung, die auf Prinzipien beruht.

Ein pädagogischer Ansatz, der die Unterschiede zwischen den Lernenden anerkennt und darauf abzielt, effektiv auf die unterschiedlichen Lernbedürfnisse der Schüler einzugehen, ist differenzierter Unterricht. Differenzierung ist ein Ansatz, bei dem Lehrpersonen darauf abzielen, allen ein optimales Lernen zu ermöglichen, indem sie Lernaufgaben und -aktivitäten sorgfältig an den Lernbedürfnissen der Schüler ausrichten. (Tomlinson, 2001, 2014)
Tomlinson (2010) beschreibt flexible Differenzierung als Grundhaltung einer Lehrperson, die auf folgenden unverzichtbaren Prinzipien beruht.

Flexible Gruppierungen
Flexible Gruppierung bedeutet, dass die Lehrperson einen guten Mix aus Sozialformen und Unterrichtsstrategien sinnvoll einsetzt, um Lernprozesse zu begünstigen. Gruppierungen werden flexibel nach Interessen, Lernpräferenzen oder Vorwissen gestaltet, damit Typisierungen nicht zustande kommen. D.h. die Lernenden arbeiten in ständig wechselnden Gruppen. Lernende können ihre Stärken in die Gruppen einbringen und erleben keinerlei Zuschreibung durch die Zuteilung zu einer Gruppe.
Klares Curriculum (Festlegung der Ziele) mit hohem Anspruch
Starkes, klares Curriculum bedeutet, dass die Lerninhalte und Lernziele sinnvoll, relevant und klar sind. Der Fokus liegt auf dem Wesentlichen und ist verstehensorientiert ausgelegt.
Die Definition der Wissen-, Verstehens- und Tun-Könnensziele bildet die Grundlage für Differenzierungsmaßnahmen. Differenzierung bedeutet sicherzustellen, dass sich allen Lernenden auf die zuvor definierten Lernziele zubewegen. Dabei bleibt der Anspruch stets hoch und alle Differenzierungsmaßnahmen sind kohärent mit den Lernzielen.
Kontinierliche Lernstandsbeobachtung
Kontinuierliche Lernstandsbeobachtung ist formative Leistungsbeurteilung, die regelmäßige, systematische Erhebung des Lernstands, um Informationen über die Wirksamkeit des Unterrichts zu gewinnen. Die Lehrperson und die Lernenden verwenden die Ergebnisse, um das Lernen zu steuern und Lern- und Lehrprozesse anzupassen, damit alle das Ziel erreichen.
Differenzierung macht einen zum "Assessment-Junkie" scherzt Tomlinson. Dabei gilt "so viel wie nötig, aber so wenig wie möglich". Formative Lernstandserhebungen sind wirkungslos, wenn im Unterricht nicht auf sie reagiert wird.
respektvolle Aufgaben
Respektvolle Aufgaben sind für das Kompetenzziel relevant, berücksichtigen Bereitschaft, Lernpräferenzen und Interessen und fordern heraus.

Wirksame Differenzierung ist in Merkmalen sichtbar.

Tomlinson (2001) weist auf folgende Merkmale wirksamer Differenzierung hin:
proaktiv und robust
Differenzierter Unterricht ist proaktiv. Lehrpersonen planen Unterricht, welcher ein breites Spektrum von Schüler*innen-Bedürfnissen berücksichtigt, um jeden Schüler, jede Schülerin zu erreichen.
qualitative Aufgaben
Differenzierter Unterricht ist mehr qualitativ als quantitativ. Es geht nicht um die Quantität der Lernaufgaben (mehr für Fortgeschrittene, weniger für andere) anzupassen, sondern um die Art der Lernaufgabe.
formative Leistungsbeurteilung
Differenzierter Unterricht bedarf formativer Leistungsbeurteilung um vom Beginn an die Lernbedürfnisse der Schüler*innen bestmöglich einschätzen zu können. Damit können die nächsten Schritte im Unterricht evidenzinformiert getroffen werden.
Vielfalt an Zugangsmöglichkeiten
Differenzierter Unterricht stellt eine Vielfalt an Zugangsmöglichkeiten zu Lerninhalten, Lernprozessen und Lernprodukten zur Verfügung.
anschlussfähig
Differenzierung bedeutet, Lehrkräfte achten ersten darauf, dass jeder Schüler, jede Schülerin nach vorangegangenen Lernstandserhebungen Anschluss/Zugang zu den Inhalten findet und zweitens, dass die dargebotenen Inhalte dem jeweiligen Lehrplan der Schulstufe entsprechen.
interessant, relevant, fesselnd
Differenzierter Unterricht ist auf die Lernenden zentriert. Lehrpersonen berücksichtigen Vorerfahrungen, Interessen und Lernprofile der Schüler*innen.
vielfältige Settings
Differenzierter Unterricht findet in vielfältigen Settings statt. Diese berücksichtigen die Sozialform (Person, Gruppe), die Darbietungsform und den Raum als dritten Pädagogen.
organisch und dynamisch
Differenzierter Unterricht ist ein evolutionärer Prozess ist, in dem Lern- und Lehraktivitäten gemäß den Zielen und Kriterien und aus aktuellen Informationen zum Lernstand heraus bestimmt werden. Dabei sind die Lehrpersonen auch Lernende: sie lernen dauernd Neues über die Lernbedürfnisse der Schüler/innen und nützen diese Informationen, um den Unterricht kontinuierlich zu verfeinern und verbessern.