Schulen und Institutionen über den Weg eines Porträts zu begegnen kann als multifunktionaler und multiperspektivischer Zugang betrachtet werden: Es ist der Versuch, durch wertschätzendes, anerkennendes Fragen (Schein, 2003, 80 ff) und aktives Zuhören ein möglichst umfassendes Bild zu zeichnen. Der Geneseprozess versteht sich daher eher als Haltung, mit der der Frage von Qualitätsdokumentation begegnet wird, denn als deskriptive Darstellung einer Institution und der darin agierenden Menschen. Unter diesem Blickwinkel nimmt es einen Kerngedanken von Leadership for Learning auf: It takes two to see one. Erst wenn wir lernen, ‚fremde Blicke‘ zuzulassen und uns dem widemen, was unserem Gegenüber an uns auffällt, „wird der Mensch am Du zum Ich“ (Buber, 1923, 41). Ein Porträt wirkt wie ein Spiegel, den wir aus verschiedenen Blickrichtungen einsehen können und der entsprechend vieldimensionale Bilder zurückwirft. Es ist damit gleichermaßen Erhebungs- wie Reflexionsinstrument: Wo leistet eine Schule, eine Institution besonders gute Arbeit, wo besteht Entwicklungspotenzial? Es eignet sich also auch dafür, „Problemfelder der (Schul-)Entwicklung zu finden“ (Dollinger, 2012, 169).
Das Schulporträt als hier angebotener methodischer Zugang verbindet somit drei Basiselemente von Qualitätsentwicklung: Dokumentation, Reflexion und Evaluation.
Brenk und Salomon (2010, 7) sehen Porträts als „wissenschaftlich fundierte Erfassungsform schulischer oder institutioneller Wirklichkeit“ an, die nach Dollinger (2012) auch für den Wissenstransfer über Entwicklungsprozesse genutzt werden kann: „Porträts sind imstande, das vielfältige Wechselspiel komplexer Systemmerkmale und Handlungsoptionen der agierenden Personengruppen zu analysieren und zu reflektieren und bieten [...] die Chance, die inner- und außerschulischen hemmenden und fördernden Faktoren differenziert abzubilden“ (Dollinger, 2012, 163).
Basis der Datenerhebung sind Methoden der qualitativen Sozialforschung wie das Interview oder Gruppengespräch (Flick, 2004; Gläser & Laudel, 2004). Ein grob strukturierter Interviewleitfaden ermöglicht situatives Agieren, der Schwerpunkt verschiebt sich von der traditionellen, einordnenden Fragekultur zum Zwecke einer Beurteilung hin zu einer verstehenden Fragekultur, die vom Postulat der Anerkennung und Wertschätzung getragen ist. Die Gespräche, die Face-to-Face-Situationen sind somit das zentrale, qualitative Momentum, das bei der Erhebung zum Tragen kommt. Es geht um...
• reale Lebenssituation und -umgebung (versus Labor),
• deskriptive Daten (versus numerische),
• bedeutungsorientierte Analyse (versus statistischer),
• (Selbst)Reflexion und Diskurs (versus Hypothesenprüfung),
• Fallstudien (versus Fallzahlen).
Kern dieser innovativen Evaluation ist, dass die Betroffenen zu Beteiligten werden: Sie übernehmen die Verantwortung für ihr Lernen und ihr eigenes Wachsen, durch konsequente Stärkenorientierung steht jedes Schul- oder Institutionenporträt im klaren Fokus von Entwicklung.
Ausgangspunkt eines Schul- oder Institutionenporträts sind halb- bis eintägige Vor-Ort-Besuche durch idealerweise zwei Personen, die Daten in Wort, Bild und Ton erheben. Es geht dabei um das Eintauchen in die Alltagswelt des Mikrokosmos, um so den Geist des Hauses wahrzunehmen. Letztlich soll die Attraktivität des Endproduktes auch darin bestehen, dass persönliche, erzählerische Zugänge und Wahrnehmungen mit datenbasiertem Material und Faktenwissen verwoben werden.
Die an einem Schulporträtverfahren Beteiligten sind eingebunden in einen mehrstufigen dialogischen Prozess: Ausgehend von einer Eigendokumentation der Schule wird ein individuelles Design für die Vor-Ort-Besuche entwickelt. Spezielle Aufmerksamkeit erfahren dabei die für die Arbeit mit den Akteur*innen (insbesondere: den Schüler*innen) konzipierten Feedback-Tools. Die aus Dokumentenanalyse, Interviews, Gruppengesprächen bzw. Unterrichtsbesuchen, Schüler*innen- und Elternbegegnungen gewonnenen Daten fließen mit den Wahrnehmungen vor Ort in einen narrativen Text über die Schule oder Institution zusammen.